Wie kommt es zur Tilgung?

Tilgung geschieht unbewusst und ist ein natürlicher Mechanismus der Sprachverarbeitung. Das Gehirn filtert ständig Informationen, um Komplexität zu reduzieren. Dabei wird zwischen der Tiefenstruktur der Sprache (alle zugrunde liegenden Bedeutungen und Details) und der Oberflächenstruktur (dem tatsächlich Gesagten) unterschieden. Tilgung führt dazu, dass die Oberflächenstruktur einer Aussage nicht mehr alle Elemente der Tiefenstruktur enthält.

Warum tilgen Menschen?

Jeder Mensch hat eine individuelle Art und Weise, Tilgung zu nutzen. Dabei spielen persönliche Erfahrungen, kulturelle Prägungen und Wahrnehmungsfilter (siehe Filterprozesse) eine Rolle. Die Tilgung ermöglicht eine schnellere und effizientere Kommunikation, kann jedoch auch Missverständnisse oder Unklarheiten erzeugen, wenn wesentliche Informationen fehlen.

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
Ludwig Wittgenstein

In Coaching- oder Führungssituationen ist es besonders hilfreich, Tilgungen zu erkennen und achtsam aufzulösen. Indem man gezielte Fragen stellt, können verborgene Informationen sichtbar gemacht werden, was zu klareren Aussagen und besseren Entscheidungen führt. Dabei ist es wichtig, wertschätzend und einfühlsam vorzugehen, um den Gesprächspartner nicht in die Defensive zu bringen.

Eine respektvolle Haltung und ein offenes Interesse an der Perspektive des anderen fördern eine vertrauensvolle Kommunikation. Durch das behutsame Hinterfragen von Tilgungen können im Coaching tiefere Einsichten gewonnen und nachhaltige Veränderungen angestoßen werden.

Formen der Tilgung

Es gibt verschiedene Arten der Tilgung im NLP, darunter

  • Unbestimmte Verben: Verben ohne genaue Spezifikation („Er hat geholfen.“ – Wie genau hat er geholfen?).
  • Unvollständige Vergleichsformen: Fehlende Vergleichsparameter („Das ist besser.“ – Besser als was?).
  • Fehlendes Referenzobjekt: Es wird nicht klar, wer oder was gemeint ist („Man sollte das tun.“ – Wer genau?).

Auflösung durch Fragen

Im NLP-Meta-Modell werden gezielte Fragen genutzt, um Tilgungen aufzudecken und verlorengegangene Informationen zurückzuholen. Einige hilfreiche Fragen sind:

  • Wer genau? (bei fehlender Referenz)
  • Wie genau? (bei unbestimmten Verben)
  • Womit wird verglichen? (bei unvollständigen Vergleichsformen

Ein Beispiel

Der berühmte Ausspruch „Die Renten sind sicher!“ ist ein klassisches Beispiel für Tilgung im NLP. Er wirkt klar und überzeugend, lässt jedoch wesentliche Informationen aus. Es wird nicht gesagt, wer genau die Renten sichert, unter welchen Bedingungen dies gilt oder welche Renten überhaupt gemeint sind. Auch die Zeitperspektive bleibt unklar – gilt die Sicherheit nur kurzfristig oder auf lange Sicht?

Diese Tilgungen machen die Aussage interpretierbar und ermöglichen es, sie unterschiedlich zu verstehen. Durch gezielte Fragen wie „Wer genau stellt die Renten sicher?“ oder „Bis wann gilt diese Sicherheit?“ könnte man die fehlenden Informationen zurückgewinnen und eine fundiertere Diskussion führen.

Das Beispiel zeigt, wie Tilgung dazu beiträgt, Botschaften eindrucksvoll, aber zugleich vage zu formulieren – ein Prinzip, das besonders in politischen und öffentlichen Aussagen häufig genutzt wird.

Tilgung in anderen psychologischen Modellen

Auch in anderen psychologischen Theorien spielt Tilgung eine Rolle. In der Kognitionspsychologie wird sie als selektive Wahrnehmung betrachtet. In der Kommunikationspsychologie (z. B. Schulz von Thun) kann Tilgung zu „unscharfen Botschaften“ führen, die mehrdeutig oder missverständlich sind.

Das Thema "Tilgung" in der NLP-Practitioner Ausbildung

Das Erkennen und Auflösen von Tilgungen ist ein wesentlicher Bestandteil der NLP-Practitioner-Ausbildung. NLP-Anwender lernen, durch präzise Fragen Klarheit in Gesprächen herzustellen, unbewusste Denkmuster zu erkennen und gezielter zu kommunizieren.

Wozu ist das gut?

Wozu ist es gut, sich mit dem Konzept der Tilgung zu befassen?

Die Kenntnis von Tilgungen hilft dabei, unklare Aussagen zu hinterfragen und Missverständnisse zu vermeiden. Sie verbessert die Fähigkeit, präzisere Fragen zu stellen und gezieltere Antworten zu erhalten. Im Coaching und in der Therapie ermöglicht sie, unausgesprochene Denkmuster zu identifizieren. Im Alltag unterstützt sie effektive und klare Kommunikation. Letztlich fördert sie ein besseres Verständnis für die individuelle Wahrnehmung von Sprache.